Matri:architektur im Gesundheitsbau?
Im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung „Das Kranke(n)haus - Wie Architektur heilen hilft“, die 2023/24 in München stattfand, wurde ich zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Architektinnen in der Krankenhausplanung“ eingeladen. In der Vorbereitung auf die Diskussion erhielt ich von den Kuratorinnen Tanja Vollmer und Lisa Luksch eine Frage, bei der ich im ersten Moment die Augen verdrehte, weil ich sie für unbeantwortbar hielt: "Worin sehen Sie den größten, entscheidenden Einfluss auf die Krankenhausarchitektur der letzten Jahre, Jahrzehnte, der von Frauen ausging?
Wie es manchmal so ist: Dinge, die einem spontan besonders missfallen, sollte man manchmal genauer untersuchen. Das habe ich getan und mich zunächst davon befreit, mit einem Superlativ („größte, bedeutendste“) antworten zu müssen und nur an Architektinnen zu denken. Ich überlegte, welche Beispiele ich überhaupt kenne, in denen sich ein entscheidender Einfluss von Frauen auf die Krankenhausarchitektur feststellen lässt. Was sollten Frauen anders machen, wie sollte sich der Einfluss zeigen? Die Architektin Petra Wörner zum Beispiel leitete von 2008 bis 2013 die Umstrukturierung und Sanierung des Universitätsklinikums Aachen, das wie kein anderes Krankenhaus für die Ära der „Gesundheitsmaschinen“ steht.
Hat sie durch ihre Arbeit als Frau einen nachhaltigen Einfluss hinterlassen? Wie sieht ein frauenspezifischer Einfluss im Gesundheitsbau aus?
Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, desto interessanter wurde es. Die Auseinandersetzung führte mich zu dem folgenden Abstract mit dem Titel „From a care perspective to an architecture that cares: the role of gender“. Darin argumentiere ich, dass weibliche Perspektiven die Grundlage für eine humanistische Architektur im Gesundheitswesen sind:
Gesundheitsbauten wie Krankenhäuser, Arztpraxen, medizinische Versorgungszentren und Hospize sind öffentliche Räume und spielen daher eine wichtige Rolle für die gesamte Bevölkerung. Die Gestaltung dieser Räume wirkt sich direkt auf die Qualität der Gesundheitsversorgung aus. Ein mögliches Projekt sollte darauf abzielen, die Relevanz der weiblichen Perspektive für eine humanistische Architektur im Gesundheitsbau herauszuarbeiten und anhand konkreter Beispiele Aspekte der Gesundheitsarchitektur der letzten Jahre und Jahrzehnte aufzuzeigen, die maßgeblich auf Frauen zurückzuführen sind. Als Fallbeispiele dienen Architekturprojekte von praktizierenden Architektinnen, Forschungsarbeiten von Architekturforscherinnen sowie Beiträge von architekturfernen Expertinnen, insbesondere aus Pflege und Medizin, deren Arbeit Gesundheitsbauten nachhaltig beeinflusst hat.
Im Folgenden werden für die drei Gruppen einige wichtige Vertreterinnen genannt, die ich identifiziert habe und deren Arbeit die Architektur von Gesundheitsbauten nachhaltig geprägt hat (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Krankenhausarchitektinnen: Hier gibt es eine Reihe von Architektinnen, die an bedeutenden Krankenhausprojekten maßgeblich beteiligt sind oder waren, z.B. Barbara Schott, Petra Wörner, Christine Nickl-Weller oder Gemma Koppen.
Architekturforscherinnen: Wichtige Beiträge kommen von Frauen. Beispiele sind: Gesine Marquardt (demenzsensible Architektur), Katharina König (suizidpräventive Architektur), Maja Kevdzija (mobilitätsfördernde Architektur für Schlaganfallbetroffene) oder Ann-Heylighen (Architektur für Krebskranke).
Architekturbezogene Expertinnen: Frauen, die eng mit Gesundheitsthemen verbunden sind und deren Arbeit die Architektur nachhaltig beeinflusst hat: z.B. Cicely Saunders, die als Ärztin das Hospiz- und Palliativwesen einführte. Florence Nightingale, die als Krankenschwester und Statistikerin mit der baulichen Infektionsprävention nicht nur die Gebäude, sondern auch das Gesundheitswesen in England revolutionierte. Oder Maggie Keswick Jencks, die unter dem Namen "Maggie's Centres" Gebäude für krebskranke Menschen schuf, die in ganz England zu finden sind und über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurden.
Eine Analyse der Strukturmerkmale der einzelnen Leistungen zeigt, dass es sich bei den von Frauen beeinflussten Themen um medizinische Herausforderungen handelt, die erstens einen erheblichen Anteil der Bevölkerung betreffen, zweitens mit einem geringeren medizinischen Prestige verbunden sind, da sie häufig nicht auf Heilung abzielen, und drittens häufig die pflegerische Behandlung sowie die psychosoziale Bewältigung im Krankheitsfall in den Vordergrund stellen. Beispiele für solche Themen sind Demenz, Schlaganfall, Suizidprävention, Palliativpflege und Infektionshygiene. Frauen haben mit ihrer Perspektive nicht nur die Architektur von Gesundheitsgebäuden maßgeblich beeinflusst, sondern auch wesentlich zu einer menschenwürdigen Gesundheitsversorgung beigetragen. Der Blick auf die strukturellen Identitäten lässt den Schluss zu, dass die Bedeutung der weiblichen Perspektive aus den gesellschaftlich häufig Frauen zugeschriebenen Care-Aufgaben wie Pflege oder Palliativpflege resultiert.
In der Architektur- und Baubranche sind Frauen auf Entscheidungsebenen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, insbesondere im technisch anspruchsvollen Bereich des Krankenhausbaus. Die Fallbeispiele zeigen, dass eine ganzheitliche und menschenwürdige Gesundheitsversorgung die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven erfordert. Um menschenwürdige und inklusive Gesundheitsräume zu schaffen, müssen geschlechtergemischte und multiprofessionelle Perspektiven im Gesundheitsbau berücksichtigt werden, um den vielfältigen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung gerecht zu werden.
2024/07