P11 - Ein perfekter sozialer Raum

Was macht einen Raum zu etwas Besonderem? Was macht ihn zu einem Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Zeit, Herkunft, Alter und Lebenswelt zusammenkommen, sich begegnen und austauschen? Für mich sind das "Social Spaces" - Räume gelebter Vielfalt. Einer meiner Lieblingsorte ist das P11 in Heidelberg. Ein Kneipenbarcafé.

Vielfältig, gegensätzlich, kontrastreich - doch verbindend

Es gibt Orte, die scheinen perfekt zu sein. Es sind Orte, die Gegensätze mühelos vereinen und durch Mischung und Vielfalt die ideale Atmosphäre schaffen, in der sich Menschen wohlfühlen, ob allein oder in der Gruppe.

Wie zeigt sich diese Vielfalt im P11? Das Kneipenbarcafé ist ein Raum, in dem sich verschiedene Welten verbinden - es ist öffentlicher und privater Raum, Ort des Konsums und der Begegnung, neutraler Raum, aber auch ein Raum mit bestimmten Regeln, z.B. angemessenes Verhalten und Konsum-Erwartung. Menschen unabhängig von ihren individuellen Lebenswelten teilen sich denselben Raum.

Das P11 ist ein Ort, der verbindet: Die jüngsten Gäste sind (geschätzt) 18 Jahre alt, die ältesten weit über 80. Sie kommen zu jeder Tages- und Jahreszeit. Sie halten sich drinnen oder draußen auf. Cappuccino oder Bier. Herzhaft oder süß. Allein oder zusammen. Sitzen oder Stehen. Stuhl oder Bank. Hoch oder niedrig. Weich oder hart. Morgens oder abends. Kurz oder lang. Zurückgezogen oder im Panoramafenster sitzend. Beobachten oder reden. Online oder offline. Musik oder Zeitung. Le monde diplomatique oder die Rhein-Neckar-Zeitung. Deutsch oder eine andere Sprache. Laut oder leise. Leer oder voll.

 All das kann ein öffentlich zugänglicher Raum von weniger als 100 Quadratmetern bieten.  Ein Raum, der all das bietet, ist das perfekte Kneipenbarcafé.

Etwas Theorie gefällig? Der Raum als sozial produzierter Ort

Was macht Orte wie das P11 so besonders? Ein Blick in die Theorie kann helfen, ihre soziale Bedeutung besser zu verstehen. Henri Lefebvre würde das P11 als einen produzierten sozialen Raum verstehen, der durch Interaktion und Gestaltung geprägt wird. Das Café ist zunächst ein physischer Raum, der von den Betreibern bewusst gestaltet wird (gestalteter Raum) und den die Gäste - mehr oder weniger bewusst - wahrnehmen. Im P11 sitzen die Gäste auf der Kunstlederbank unter dem Kunststoff-Kronleuchter, am Panoramafenster, am Stehtisch aus unbehandeltem Buchenholz mit Blick auf einen Verkehrsknotenpunkt oder an der Bar, direkt hinter der polierten Kaffeemaschine, neben der Kuchenvitrine - erst durch die Interaktionen und Handlungen der Gäste erhält der Raum eine soziale Dynamik und wird zum gelebten Raum. Solche Orte werden zu “dritten Räumen" – Treffpunkten zwischen Zuhause und Arbeit, in denen Diversität gelebt und gemeinsame Kultur geschaffen wird.

Schönheit schützen

Das P11 ist mehr als nur ein Ort

Es ist ein sozialer Raum, in dem Vielfalt und Begegnung alltäglich sind, ein lebendiger Beweis dafür, wie Architektur und Atmosphäre gesellschaftliche Teilhabe fördern können. Solche Orte inspirieren uns dazu, die Schönheit sozialer Vielfalt zu erleben und weiterzutragen. Es liegt an uns, sie zu bewahren und zu fördern – für eine offene, lebendige und einladende Gesellschaft.

Innenraum des Kneipenbarcafés P11 mit Gästen

November 2024

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